GRÜNE BEWERTUNG DER EEG-NOVELLE

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss reformiert werden, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten und die Erneuerbaren in die Phase der Systemdurchdringung zu bringen. Doch die EEG-Reform der Großen Koalition überzeugt nicht. Klimaschutz und Energiewende drohen auf der Strecke zu bleiben.


Die grüne Bundestagsfraktion hatte im Januar die Hand ausgestreckt und die Mitarbeit an einem parteiübergreifenden Konsens zur Reform der Ökostromförderung angeboten. Die grün mitregierten Länder haben es über massiven Druck geschafft, bei der Windenergie an Land wichtige Verbesserungen für die Energiewende durchzusetzen.
Die EEG-Reform ist dadurch besser geworden, doch gut ist sie weiterhin nicht.
Im Gegenteil: Die Große Koalition peitscht im „Schweinsgalopp“ Änderungen durch das Parlament. Erst am Tag der Beschlussfassung in den Bundestagsausschüssen bringt sie einen 204 Seiten starken Änderungsantrag ein. Eine vernünftige und der Sache angemessene Beratung hat die Große Koalition so unterbunden. Das gilt zumal, da die Änderungen auch bisher unbekannte neue Regelungen umfassen, wie z. B.

  • die Streichung der Vergütung für erneuerbare Energien bei länger anhaltenden Phasen mit negativen Preisen am Strommarkt,
  • die Regelung der Eigenstromversorgung inklusive der Kompensationsmaßnahmen für KWK-Anlagen,
  • die Ausweitung der EEG-Förderung auf Anlagen in EU-Nachbarländern,
  • die neue Verordnungsermächtigung für Industrieausnahmen.

Insgesamt bringt die EEG-Novelle statt Klimaschutz Bestandsgarantien für Kohle, statt einen stabilen Strompreis Mehrbelastungen für VerbraucherInnen und Mittelstand.


GABRIEL HÄLT NICHT, WAS ER VERSPRICHT
Wirtschaftsminister Gabriel hat behauptet, die grundlegende EEG-Reform soll dazu dienen, die erneuerbaren Energien weiter auszubauen, Planungssicherheit herzustellen und die Kosten zu senken. Doch Gabriel hält nicht, was er verspricht. Seine Reform behindert die Energiewende und dürfte die Kosten für die meisten Stromkunden sogar weiter in die Höhe treiben.
Darüber hinaus hat Gabriel mit seiner EEG-Reform ein Bürokratie-Monstrum geschaffen – aus gut 60 hat er annähernd 100 Paragraphen auf über 125 Seiten gemacht. Mit dem neuen Paragraphen-Dschungel schickt er die Erneuerbaren-Branche in abenteuerliche Planungsverfahren mit offenem Ausgang. Zudem drängt er sie in einen Markt, der nach den Spielregeln von fossilen und nuklearen Großkraftwerken funktioniert.


KOHLE PROFITIERT – KLIMASCHUTZ VERLIERT
Die Große Koalition kommt mit der EEG-Novelle den Interessen der konventionellen Energiewirtschaft entgegen. Der Zubau von Ökostrom wird gegenüber dem Trend mehr als halbiert. Schwarz-Rot unterbietet selbst die wenig ambitionierten Ziele der inzwischen abgewählten schwarz-gelben Regierung. Bis 2020 soll es nur etwa 35 % Ökostrom geben – nur 10 % mehr als heute. Damit ließe sich gerade mal der wegfallende Atomstrom ersetzen.
Dieser Tritt auf die Bremse nutzt vor allem den Kohlekraftwerken. Ihr hoher Marktanteil bleibt in den kommen-den Jahren unangetastet und die teils uralten Kraftwerke blasen weiterhin tonnenweise CO2 und andere Schad-stoffe in die Umwelt. Für Gabriel besteht die Energiewende darin, den Kohlestromanteil abzusichern.


ÖKOSTROM WIRD GEDECKELT
Mit einem Deckel für Wind- und Solarenergie will die Bundesregierung ausgerechnet die günstigsten Ökostrom-quellen ausbremsen. Heute schon sind Windkraft an Land und Solarenergie günstiger als Strom aus neuen Koh-le- und Gaskraftwerken. Es ist ein wichtiger Erfolg, dass die grün mitregierten Länder hier Verbesserungen durchsetzen konnten und der Windkraftausbau an Land weitergeht. Das lindert die negativen Folgen der EEG-Novelle.
Kritisch ist jedoch weiterhin, dass viele Investoren mit dem „atmenden Deckel“ 1 in die Klemme gebracht wer-den. Kaum jemand weiß noch, ob sein Windpark wirtschaftlich betrieben werden kann. Verschlimmert wird dies noch durch die neue Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch, die parallel zur EEG-Novelle beschlossen wird. Hier hat Bayern in der Koalition durchgesetzt, dass die Bundesländer künftig alleine Abstandsregeln für Wind-kraftanlagen erlassen dürfen – sowohl für Neuprojekte als auch für bereits genehmigte Windkraftflächen. Damit droht zumindest in Bayern der Kahlschlag für den Windkraftausbau.
Auch die Bioenergie wird mit einem ganzen Bündel an Verschlechterungen konfrontiert. Sie wird gedeckelt und ihre Vergütung deutlich gekürzt. Zubau wird es unter diesen Bedingungen wohl kaum mehr geben. Dabei brau-chen wir nachhaltig und naturverträglich genutzte Bioenergie zum Ausgleich der schwankenden Wind- und So-larenergie. Ganz neu ist zudem, dass neue Erneuerbare-Anlagen keine Vergütung mehr erhalten, wenn über sechs Stunden lang negative Preise an der Börse herrschen. Damit wird der „Einspeisevorrang“ ausgehebelt.


INDUSTRIE WIRD AUF KOSTEN DER VERBRAUCHER GESCHONT
Mit der schwarz-roten Reform bleibt es bei der unfairen Kostenverteilung im EEG. Wer angesichts der Regie-rungsbeteiligung der SPD auf mehr Gerechtigkeit gehofft hatte, muss umdenken. Gabriel geriert sich als Genosse der Bosse. Zukünftig sind 90 % des produzierenden Gewerbes (219 Branchen) antragsberechtigt, eine geringere EEG-Umlage zu zahlen. Wir brauchen das Gegenteil: ein Abschmelzen der Industrieausnahmen durch die Kon-zentration auf tatsächlich energie- und außenhandelsintensive Unternehmen in Anlehnung an die EU-Strompreiskompensationsliste. Sie enthält 15 Branchen, die als wirklich strom- und außenhandelsintensiv sind.
Es wird zudem eine neue Verordnungsermächtigung eingefügt, die dem BMWi erlaubt – vorbei an Bundestag und Bundesrat – wesentliche Punkte bei der Anerkennung von Effizienzmaßnahmen und der Berechnung der anzulegenden Strompreise alleine festzulegen und Branchen in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufzunehmen, wenn die EU-Kommission entsprechende Beschlüsse gefasst hat.
Dazu kommt, dass es beim Eigenstromverbrauch ebenfalls vor allem den kleineren Unternehmen und Privatleuten an den Kragen geht. Wer mit einer größeren Solaranlage ab 10 kW seinen Strom selbst produziert, soll zu-nächst 30, ab 2016 35 und dann ab 2017 40 % der EEG-Umlage bezahlen.
Schon die Idee, den Ausbau von Erneuerbaren einerseits gesetzlich zu fördern, ihn durch die Belastung beim Ei-genstromverbrauch dann aber wieder auszubremsen, ist widersinnig. Doch die neue Regelung ist zudem unge-recht und verfassungsrechtlich fragwürdig. Denn anders als Solaranlagenbetreiber erhalten Industriebetriebe mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einen Ausgleich über die KWK-Förderung, der ihre Belastung de facto auf 15 % der EEG-Umlage begrenzt. Damit gibt es eine klare „Zwei-Klassen-Gesellschaft“: Zum einen die Industrie mit KWK, die über die Förderung eine Kompensation erhält. Zum anderen die PV-Betreiber, die eine solche Kompensation nicht bekommen. Damit wird die Regelung noch deutlicher zur „Sonnensteuer“!


BÜRGERENERGIEN SIND BEDROHT
Der Löwenanteil der Energiewende geht zurück auf Investitionen von Bürgerinnen und Bürgern, Landwirte und Energie-Genossenschaften vor Ort. Diese Konkurrenz stört viele in der konventionellen Energiewirtschaft. Auch deshalb soll der Marktzugang der BürgerInnen durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erschwert werden: Di-rektvermarktungspflicht, unsichere Planungsverfahren und folglich höhere Risikozuschläge bei den Banken – all das ist bereits geeignet, das Bürgerengagement bei der Energiewende massiv einzuschränken.
Die Koalitionsfraktionen haben die Hürden jetzt sogar noch höher gelegt. So sollen schon ab 2016 alle Anlagen ab 100 kW Leistung zur Direktvermarktung verpflichtet werden. Die Vermarktungspflicht erhöht den Aufwand und damit die Kosten und macht die Anlagenbetreiber abhängig von wenigen Stromhändlern.
Doch Gabriel geht noch weiter: Schon ab 2017 will er die Höhe der Ökostromvergütung durch Ausschreibungs-modelle ermitteln. In einem solchen Wettbewerb, der hohe Vorauszahlungen ohne Planungssicherheit erfordert, können Privatleute und Genossenschaften nicht mehr mithalten. Die Energiewende droht damit zur Sache der konventionellen Energiewirtschaft zu werden Bei Ausschreibungen sollen zudem 5 % der neu zu installierenden Leistung auch für ausländische Projekte geöffnet werden. Hintergrund ist, dass die EU-Kommission neuerdings die nationalen Ökostromfördersysteme für Investoren in allen EU-Ländern öffnen will.
Mit der neuen Regel im EEG wird über Nacht das Tor für eine grundlegende Erweiterung der Erneuerbaren-Förderung geöffnet: Die Einbeziehung von Anlagen im europäischen Ausland. Die Folgen können nicht abgese-hen werden, sie könnten letztlich aber das ganze EEG gefährden.


ENDE DES GRÜNSTROMMARKTES NAHT
Für eine echte Marktintegration müsste der Endkundenmarkt für Ökostrom geöffnet werden. Doch auch hier geht die Novelle nicht weit genug. Als Ersatz für das Grünstromprivileg – also die teilweise Befreiung von der EEG-Umlage für Energieunternehmen wenn sie einen bestimmten Anteil Strom aus Erneuerbaren-Anlagen beziehen – wird lediglich eine Verordnungsermächtigung für die Einführung eines neuen Ökostrom-Vermarktungsmodells eingerichtet. Ob und wann diese Verordnung kommt, ist völlig unklar. Denn umgesetzt wird dies nur, wenn ein EU-konformes und kostenneutrales Modell gefunden wird. Darüber aber wird das BMWi per Verordnungsermäch-tigung – also ebenfalls ohne Bundestag und Bundesrat – allein entscheiden. Absehbar wird es also nicht mehr möglich sein, als Endkunde direkt reinen Ökostrom aus Deutschland zu beziehen. Ein neues Ökostrom-Vermarktungsmodell wäre jedoch dringend erforderlich, auch um Ökostromerzeugern einen Markt außerhalb des EEG-Regimes zu eröffnen.

WIE GEHT ES WEITER?
Der Kabinettsbeschluss zur EEG-Novelle ist am 8. April erfolgt. Am 24. Juni um 18:55 Uhr wurde den Ausschuss-mitgliedern des federführenden Wirtschaftsausschusses der 204-seitige Änderungsantrag der Koalitionsfraktio-nen übersandt. Erst seit 10:54 Uhr gab es überhaupt eine sog. Formulierungshilfe. Über den Änderungsantrag wurde kurz nach 21 Uhr abgestimmt.
Es war schlichtweg unmöglich innerhalb dieser kurzen Zeit die anvisierten Änderungen – die bislang nicht Ge-genstand der parlamentarischen Debatte waren – fachlich und rechtlich zu prüfen. Der Wunsch nach einer Anhö-rung durch die Fraktionen der Grünen und der Linken in den kommenden Tagen wurde von der Großen Koalition abgelehnt. Damit hat sie ihr zu Beginn der Wahlperiode gegebenes Versprechen, die Minderheitenrechte zu wahren gleich bei der ersten Probe gebrochen.
Am 27. Juni ist der Gesetzentwurf zur abschließenden Lesung im Bundestag, bevor am 11. Juli 2014 der Bundes-rat die schwarz-rote EEG-Novelle abschließend berät.
Die grüne Bundestagsfraktion sieht weiterhin grundlegenden Änderungsbedarf, damit der Ökostromausbau wei-terhin dynamisch vorangeht und die Kosten fair verteilt werden.
Zentrale Forderungen für uns sind dabei:

  • Rücknahme der Deckel für Windkraft an Land und Solarenergie sowie deutliche Anhebung des Bioenergiede-ckels,
  • Entlastung von Privathaushalten und Mittelstand durch Begrenzung der Industrie-Privilegien auf tatsächlich stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb
  • Weg mit den Behinderungen der Bürgerenergien, z. B. durch die Umstellung auf Ausschreibungsmodelle
  • Einführung eines neuen Marktmodells zur direkten Vermarktung von Ökostrom an Endkunden
  • Stärkere Belastung klimaschädlich erzeugten Eigenstroms und keine „Sonnensteuer“, also Eigenstrom aus EE- und KWK-Anlagen weiterhin von der EEG-Umlage befreien.

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